Formel 1-Filter für BMW: «So habe ich Deutschen überzeugt»

(*) ERSCHIENEN IN IL SOLE 24 ORE, von Antonio Larizza – https://bit.ly/2MpKAmA

Der erste Luftfilter, der von Ufi Filters für einen Formel 1- Einsitzer – den Ferrari 312-T4 aus dem Jahr 1979 – gebaut wurde, wog 1,6 kg. Das neueste Modell, das für die Saison 2017/18 entwickelt wurde, wiegt nur noch 20 Gramm. Im Vergleich zu 1979 gehen heute bei jedem Grand Prix nicht ein, sondern 110 von Ufi produzierte Filter auf die Rennstrecke. Genutzt von sieben Rennställen: Scuderia Ferrari, Mercedes-Amg Petronas, Williams, Sauber, Toro Rosso, Force India und Haas.

Wettbewerb liegt in der DNA des Unternehmens, das im Jahre 1971 in Nogarole Rocca, einem Dorf mit 4.000 Einwohnern in der Nähe von Verona, gegründet wurde. Heute, nach einer Milliarde produzierter Filter, ist das Unternehmen ein internationaler Konzern mit 4.000 Mitarbeitern, 16 Werken, davon fünf in China, 54 Vertriebsniederlassungen, sechs Logistik-Standorten für den Aftermarket und drei Innovationszentren.

Die letzte Anlage wurde in Opole in Polen eingeweiht. In diesem Werk mit einer Fläche von 6.000 Quadratmetern, in dem bei voller Auslastung 250 Mitarbeiter beschäftigt sein werden und eine Million Teile pro Jahr über das Band laufen (im Jahr 2023 bis zu drei Millionen). Dahinter steht eine Investition von zehn Millionen Euro. „Dieses Werk ist das schönste Weihnachtsgeschenk, das ich mir vorstellen kann“, sagte der Bürgermeister von Opole am Tag der Einweihung zu Giorgio Girondi, dem hyperdynamischen Präsidenten des Unternehmens, das heute seinen Sitz in Porto Mantovano bei Mantua hat. Nicht weit entfernt vom Stammwerk in Nogarole Rocca.

Giorgio Girondi, hat Ihnen ein italienischer Bürgermeister jemals solche Worte gewidmet?

Nein, niemals. In Italien gelten wir als „Nehmer“. Es fehlt ein Ökosystem, das in der Lage ist, private Investitionen anzuziehen. Das ist sehr schade, denn unsere kreativen Fähigkeiten sind die besten auf der Welt.

Ist das im Ausland anders?

Da werden wir mit offenen Armen empfangen. Als wir über die Investition in das chinesische Werk in Changchun verhandelt haben, haben uns die Behörden zugesagt, einen U-Bahn-Ableger zum Werk zu bauen. Am Tag vor der Einweihung des Werks rief mich der Bürgermeister an und lud mich zu einer Probefahrt auf der neuen Strecke ein. „Haben Sie gesehen?“, sagte er, „wir halten unsere Versprechen.“

Wieso Opole in Polen?

Um nahe an den Kunden zu sein, insbesondere VW, BMW, AMG und FCA. Diese Fabrik wird unser fortschrittlichstes Werk für die Produktion im Bereich des Thermalmanagements sein: Das ist der Produktbereich der Wärmetauscher für Motoren und Getriebe. Aber auch für Elektro- und Hybridfahrzeuge, wo das Thermalmanagement zentrale Bedeutung hat. In Polen bereiten wir unseren großen Sprung zur Elektromobilität vor, wo ich große Chancen sehe. Zunächst wird in Opole der größte Kunde, mit einer nur wenige Kilometer entfernt gelegenen Produktionsstätte, BMW sein. Sie haben sich für uns entschieden und damit auch deutschen Lieferanten wie Mahle und Mann+hummel vorgezogen.

Wie fühlt sich das an – sich gegen die Deutschen in ihrem eigenen Land durchzusetzen?

Den Deutschen zu erklären, wie man Filter baut, macht uns Stolz und gibt uns Genugtuung. Das ist auch mit der letzten Innovation, dem Luftfilter Multitube, passiert, der in der Lage ist, die Motorleistung um vier Prozent zu erhöhen. Als die Ingenieure von Porsche und Amg das System getestet haben, konnten sie es kaum glauben. Heute ist es serienmäßig in ihren Autos verbaut.

Wie haben Sie das geschafft?

Mit sehr viel Forschungsarbeit. Aber auch zuverlässigen Handelsbeziehungen, die wir in China aufgebaut haben.

Was hat China mit der deutschen Automobilindustrie zu tun?

Erinnern Sie sich an die Worte von Mao Zedong? Wenn du das Zentrum des Reichs erobern willst, bringe die Randprovinzen unter deine Kontrolle. Auf China zu setzen, als niemand auf dieses Land setzte, war mein Glück.

Wann war das?

Anfang der Achtzigerjahre habe ich einen Unternehmer, der gute Verbindungen zur chinesischen Regierung hatte, dem „Avvocato“, Gianni Agnelli, vorgestellt: Ich habe ihn nach Turin gebracht, zu Fiat. Eigentlich war ich sein „Chauffeur“. Dieser Mann hatte den Auftrag, einen Autobauer zu finden, der bereit war, in China zu produzieren. Das war damals ein sehr kleiner Markt, mit ca. 350.000 Fahrzeugen. Der „Avvocato“ antwortete auf seine Art: „Weshalb sollte ich in China produzieren, wenn ihr da nicht mal Straßen habt?“ Es kam nichts bei diesem Treffen heraus. Dieser Chinese ging dann zu Volkswagen, dort gaben sie ihm die Werkzeuge eines alten Modells, dem VW Santana, um ihn in China zu produzieren. Heute ist die VW-Gruppe der größte Autohersteller in China, dem größten Markt der Welt.

Und Sie?

Ich nahm das Angebot dieses Unternehmers an und machte mich gemeinsam mit Rinaldo Facchini (dem derzeitigen CEO der Gruppe, Anm. d. Red.) nach China auf, um dort Filter für Autos zu produzieren. Ich bin dort fünf Jahre lange geblieben. Langsam begann der chinesische Markt zu wachsen und dank des Vorteils, den wir gegenüber den anderen Wettbewerbern hatten, wurden wir zum größten Lieferanten der chinesischen Werke aller Autohersteller,einschließlich der Deutschen, also VW, BMW und Daimler.

Zuerst eroberten Sie also die Randprovinzen und dann das Herz des deutschen Automobil-Imperiums.

Genauso hat es sich zugetragen (lächelt…).

Als Sie Teilhaber der Gesellschaft wurden, die Sie dann später übernommen haben, war Ufi Filters eine kleine italienische Firma. Heute ist daraus ein internationaler Konzern geworden, mit einem Umsatz von 436 Mio. Euro. Was ist von Ufi Filters in Italien geblieben?

In Italien ist die Firmenzentral ansässig, außerdem mehrere Werke, ein Logistik-Standort und eines der drei Innovationszentren (die anderen beiden befinden sich in China und Indien, Anm. d. Red.). Wir lokalisieren, um unseren Kunden zu folgen. Doch wir sind auch stark mit unseren Wurzeln verbunden, besitzen außerdem eine hohe Fähigkeit zur Flexibilität und treffen rasche  Entscheidungen. Das ist in einem internationalen Konzern wie unserem gar nicht so einfach. Deshalb hab ich für meine Manager die Sitzungen mit den Boxenstopps erfunden.

Wie funktioniert das?

Jeder Teilnehmer – normalerweise sind es fünf – darf sieben Minuten lang sprechen. Dann folgt eine Pause von zehn Minuten, der Boxenstopp, während dem die Gruppe eine Entscheidung zu dem Thema der Tagesordnung treffen muss. In einer Sitzung sind maximal zwei Boxenstopps möglich. Wenn keine Entscheidung erzielt wird, erhalten die Manager, die sich nicht entschieden haben, Malus-Punkte von der Personalabteilung. Wir dürfen nicht die Fähigkeit verlieren, wie die kleineren Firmen effizient und als Team zu arbeiten.

Und das ist, was Sie als Ufi-DNA bezeichnen?

Ja. Um sie meinen Mitarbeitern einzuimpfen, organisiere ich Team-Building-Events. In 2015 waren wir in Dubai: dort haben wir in der Wüste gelebt, im Zelt gewohnt und uns auf Kamelen fortbewegt. In 2016 waren wir in Cinecittà, um einen Film über die Geschichte von Ufi zu drehen, mit den Managern als Schauspieler. In 2017 habe ich «Ufi’s Got Talent» organisiert, eine Art X-Factor im Unternehmen. Dieses Jahr steht ein Ball in Warschau auf dem Programm. Meine „Generäle“ müssen einig sein – und glücklich. Viele von Ihnen sind auch Gesellschafter von Ufi. Wenn die Geschäfte gut laufen, verdienen auch sie. Für mich selbst hat das einen anderen Vorteil.

Welchen?

Ich bin nicht der Einzige, der nachts nicht schläft und darüber nachdenkt, wie Ufi weiter wachsen kann. Das ist die beste Garantie für den Erfolg.